Bald geht es los

Die Welt ist verrückt und wird mit jedem Tag etwas verrückter.

Der perfekte Zeitpunkt, um etwas gänzlich verrücktes zu tun.

Was lange Zeit ein heimlicher Traum war, wird jetzt konkret.

Drei Buchstaben: PCT

Dabei hat alles ganz harmlos angefangen. Im neuen Jahrtausend habe ich das Bergwandern für mich wieder entdeckt, und aus einer Möglichkeit, mal für ein Wochenende abzuschalten, ist irgendwie der Drang geworden, nicht nur ein Wochenende in den Bergen zu verbringen. Von Hütte zu Hütte zu wandern und die Bandbreite der Natur um mich zu genießen, wurde eine meiner großen Leidenschaften. Beim Stöbern im Internet bin ich dann über die großen amerikanischen Trails gestolptert, drei Wanderwege mit jeweils mehreren tausend Kilometern, die vom Süden in den Norden führen, und ich war – auch wenn ich das zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste – infiziert. Es hörte sich verrückt an, monatelang mit Rucksack, Zelt und Kocher durch die kochend heiße Wüsten und über hohe Gebirge zu wandern. Nichts für einen bodenständigen Menschen mit einem guten Job. Oder?

Die Berichte und Bilder von den Trails waren spektakulär, und immer öfter habe ich mich dabei erwischt, das Internet zu neuen Blog-Einträgen und YouTube-Videos zu den Trails zu durchforsten.

Anstatt selbst so verrückte Pläne zu schmieden, habe ich erst mal die Alpen “überquert”. Natürlich nicht komplett, das geht in 8 Tagen nicht, aber da die Route über den Hauptkamm der Alpen führt, wird die Tour von Oberstdorf nach Meran gemeinhin auch als Alpenüberquerung bezeichnet. Und ich hatte die beste Zeit meines Lebens, als ich mich durch die dünne Luft auf hohe Scharten hoch kämpfte und jeden Tag erschöpft ins Bett (in der Regel ins Matratzenlager) fiel.

Der erste Gedanke bei der Ankunft im Zielort war: das war so schön, das kann doch noch nicht vorbei sein!

Die, die mich kennen, die wissen es, alle anderen werden erraten was geschah: die Touren wurden länger. Ich lernte Menschen kennen, die tatsächlich schon so lange Touren unternommen hatten. Die, die den Pacific Crest Trail schon gewandert waren, hörten mit dem Schwärmen nicht mehr auf.

Als ich auf der Tour von München nach Venedig die Idee zum ersten Mal laut aussprach, wurde sie tatsächlich konkret.

Was folgte, waren Jahre der Planung. Wie geht das mit dem Job? Welche Genehmigungen brauche ich? Was muss sonst alles erledigt werden, und welche Ausrüstung brauche ich? Autark durch die Wildnis der Nationalparks zu wandern, Tagesmärsche von der nächsten Zivilisation entfernt, ist doch etwas anderes als täglich eine Hütte anzusteuern. Man würde meinen, dass genau die erste Frage die schwierige wäre, aber meine Begeisterung scheint ansteckend zu sein, denn mein Arbeitgeber war unglaublich entgegenkommend, als ich um ein halbes Jahr Sabbatical anfragte. Dafür fand ich Fragen über Fragen. Welches Zelt? Welchen Schlafsack? Welche Schuhe? Kocher? Isomatte? Wieviel Kleidung kann man überhaupt so lange tragen – egal ob am Körper oder im Rucksack? Was esse ich auf dem Trail? Wie werde ich wieder sauber wenn es weder eine Dusche noch fließend Wassers gibt? Mit viel Recherche und praktischen Versuchen konnte ich die allermeisten Fragen guten Gewissens beantworten.

So plante ich für 2020 tatsächlich eine Wanderung auf dem Pacific Crest Trail, der im Westen der USA von der mexikanischen bis an die kanadische Grenze führt, 2650 Meilen durch einige der schönsten Abschnitte der Vereinigten Staaten. Alle paar Tage kommt man in die Nähe eines Ortes um Verpflegung nachzukaufen und sich selbst und die Kleidung wieder zu reinigen. Es müssen Flüsse durchquert und 4000m hohe Pässe erklommen werden. Das alles im Wettkampf gegen die Zeit, denn Ende September kann der Sommer im Kaskadengebirge im nördlichen Washington schon ein jähes Ende nehmen.

Das ganze schien tatsächlich zu klappen. Ich hatte grünes Licht vom Arbeitgeber bekommen, im Oktober ein Permit ergattert um entlang des Trails zelten zu dürfen und einen Termin fürs Touristen-Visum im Konsulat. Dann kam Covid. Einen Monat vor der geplanten Abreise bekam ich zwar noch mein Visum, doch am Tag nach meinem Termin sperrte die USA alle Botschaften und Konsulate zu und riegelte die Grenzen ab.

Was folgte, wissen alle. Ich wollte aber meine Traum nicht so einfach aufgeben und hielt daran fest. Dass 2021 nichts werden würde, das war mir schon klar, und so lange Covid-19 nicht halbwegs unter Kontrolle war, wollte ich auch nicht zu weit von meine Lieben weg reisen. Dank Impfstoff und mehr Wissen wurden die Grenzen dann ab Mitte letzten Jahres immer weiter geöffnet, so dass ich das Projekt PCT noch einmal angegangen bin. Immerhin ist das Visum noch gültig, aber fürs Permit musste ich bis Mitte Januar zittern.

Jetzt ist es nur noch eine gute Woche bis ich ins Flugzeug nach Kalifornien steige.

4265km zu Fuß.

140 Nächte, die meisten davon im Zelt.

Nach mehreren tausend Kilometern in den Alpen und Mittelgebirgen denke ich, dass die Aufgabe durchaus machbar ist. Gute fünf Monate habe ich Zeit, und der Plan ist, im Schnitt 28km pro Tag zurückzulegen. Ohne Wasser und Verpflegung werde ich gute fünf Kilo auf dem Rücken tragen, Tag für Tag. Mit Zuhause werde ich über ein Satelliten-Notrufgerät von Garmin in Verbindung bleiben können, auch wenn abseits der Ortschaften kein Mobilfunknetz verfügbar ist.

So langsam erlebe ich ein intensives Wechselbad der Gefühle zwischen Vorfreude und Nervosität, aber das wird sich legen, sobald ich den ersten Fuß auf den Wanderweg setze. Ich freue mich riesig auf die vielen neuen Eindrücke, auf die andere Kultur, auf die wunderbare Natur und auch auf die vielen Menschen, die ich auf der Wanderung kennenlernen werde.

Ich werde versuchen, hier auf der Seite regelmäßig Bilder und Eindrücke einzustellen für alle, die mich kennen – und alle, die sich aus Zufall oder anderen Gründen auf diese Seite verirrt haben.

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