PCT Tag 3: Cibbets Flats bis Mount Laguna

Ich bin einer drr letzten, der sich am Morgen wieder auf den Weg macht. Am Abend zuvor war ich zu müde, um meine Ausrüstung zu sortieren, und so dauert es eine Weile, bis alles verstaut ist. Ich gehe die staubige Straße wieder hoch zum Trail und setze meinen Weg fort. Der Wind hat zum Morgen hin etwas abgeflaut, und es ist ganz angenehm.

Meine Beine spüren heute die beiden langen Tage mit der ungewohnten Hitze und dem schweren Rucksack. Zum Glück ist der Anstieg nach Mount Laguna flach, und nach einer Weile erreiche ich die ersten Bäume. Hier in der Wüste gibt es eine untere und eine obere Baumgrenze. Darunter ist es zu heiß und trocken, darüber zu kalt.

Durch lichte Pinienwälder und abgestorbene Eichen geht es auf federndem Boden zum Ziel, und schon bald treffe ich im Pine House Cafe & Diner Weed, Nadine und Stine wieder. Ich gönne mir einen Burger, und dann versuchen wir, herauszufinden, ob und wo am Campground Duschen oder Waschgelegenheiten geöffnet sind. Angeblich soll seit heute alles offen sein, doch am Bereich für PCT-Wanderer ist niemand zu finden und die Duschen sind noch verschlossen.

Ich stelle mein Zelt in einer windgeschützten Ecke etwas außerhalb auf und tratsche etwas mit meinen Nachbarn, Mitch und Ash aus Portland. Stine sucht sich einen Platu etwas weiter am Trail, weil ihre Zeltheringe hier nicht halten wollen.

PCT Tag 2: Hauser Creek bis Cibbets Flats Campground

Ich wache schon relativ früh auf, und rund herum ist noch alles dunkel. So leise wie möglich koche ich den ersten Kaffee auf dem Trail und mache mein erstes Müsli (Oatmeal, um genau zu sein). Um meinen kleinen Titan-Topf sauber zu halten, rühre ich das ganze in einem Ziplock-Beutel an. Nach dem Frühstück schüttle ich ihn mit Wasser aus, trinken ist ohnehin wichtig und der Beutel ist wieder sauber.

Ich habe noch relativ viel Schatten, als es den langen Aufstieg zum Lake Morena hoch geht, und das ist auch gut so. In langen Serpentinen geht es weiter und weiter hinauf. Unterwegs finde ich die Hülle eines Zeltes und stecke sie ein. Der Wasser-Cache entlang des Weges ist leer, aber der Anstieg ist fast geschafft, und ich habe noch einen guten Liter Wasser.

Das Wasser hier kann für die wichtig sein, die in der Nachmittagshitze vom Hauser Creek aufsteigen.

Pünktlich für ein verspätetes Frühstück komme ich unter dem Applaus anderer Wanderrr am Malt Store am Lake Morena an, wo ich mir gleich eine kalte Cola gönne. Wir reflektieren unsere ersten Meilen und die vielfältigen Eindrücke der Wüste, und ich vergesse ganz, Fotos zu schießen.

Dann mache ich mich auf den Weg in Richtung Boalder Oaks Campground, den ich mir für heute als Minimalziel gesetzt habe. Immer wieder überhole ich die selben Mitwanderer und werde dann wieder, wenn ich selbst eine Pause mache, von ihnen überholt.

Bei einem kurzen Ausflug in die Botanik lerne ich die Gefahren der Wüste am eigenen Leib kennen. Auf dem Rückweg stellt sich mir unvermittelt ein als Grad getarnter Kaktus in den Weg und bohrt mir zwei Spitzen ins Schienbein. Zum Glück hat mein Neffe mir Piratenpflaster mit auf den Weg gegeben, so dass die Verletzung schnell repariert ist und ich meinen Weg fortsetzen kann.

Den Campground erreiche ich in der brütenden Mittagshitze, und wie die anderen nutze ich den spärlichen Schatten der Pinien, um etwas abzukühlen. Ich lege die gefundene Zelthülle in die Hikerbox. Solche Schachteln gibt es an fast jedem Ort am Trail, und jeder Wanderer kann dort Dinge rein tun die er/sie nicht mehr braucht oder gefunden hat, und jeder kann sich daraus frei bedienen. Fünf Minuten später schallt ein Freudenschrei durch den Campingplatz. Weed, so heißt einer der Wanderer – früher oder später bekommt jeder Wanderer einen Spitznamen, und Weed ist Botaniker – wedelt glücklich mit der Zelthülle und erklärt, dass er genau so eine gesucht hat, weil er seine vom Hauser Creek hoch verloren hat. Ich kläre ihn dann schmunzelnd auf, dass das tatsächlich die verlorene Hülle ist.

Es wird langsam etwas kühler, und ein leichter Wind kommt auf, so beschließe ich, noch ein paar Meilen zu wandern. Es sind ein paar Meilen bis wieder Wasser verfügbar ist, aber man muss dafür einen steilen Abstieg zum Kitchen Creek zurücklegen. Das spare ich mir, und obwohl es schon relativ spät ist, gehe ich noch knapp 4 Meilen und ein paar Höhenmeter weiter zum Cibbets Flats Campground. Auch hier geht es einige Meter abwärts.

Dort angekommen miss ich ein wenig suchen, bis ich noch einen ebenen Flecken für mein Zelt finde, und der zunehmende Wind macht das Aufstellen gar nicht so einfach. Als ich in der Dämmerung mein Abendessen koche, muss ich alles gut festhalten, damit es nicht weg fliegt, und obwohl ich mein bestes gebe, muss ich 5 Minuten meinen Kunststofflöffel suchen.

Als ich dann ins Zelt krabble ist es schon stockdunkel, und nach über 16 Meilen bin ich wirklich müde. Kurz nach 21 Uhr döse ich auch schon ein. Hiker Midnight ist um 9 Uhr abends, und ich weiß jetzt auch, warum.

PCT Tag 1: Southern Terminus bis Hauser Creek

Meine Hand berührt das Monument, das den Startpunkt meiner Wanderung bedeutet, und mein Lächeln ist fast schmerzhaft. Hinter mir ragt der Grenzzaun zu Mexiko hoch, und Windböen wirbeln rötlichen Staub auf. Ich schieße ein Beweisfoto und mache den ersten Schritt von Millionen.

Ich habe zwar nur in kurzen Etappen geschlafen, aber ich bin kein Bisschen müde. Trotzdem ist es viel später geworden als geplant, und die Kühle der Nacht verflüchtigt sich bereits. An einem kleinen Stand nahe am Monument werde ich von einer Mitarbeiterin der PCTA, der Trail-Organisation, begrüßt, und nach einem kurzen Quiz über die Regeln des Leave No Trace bekomme ich einen PCT-Anhänger für den Rucksack.

Der Anfang des Trails geht sich leicht. Ein schöner, schmaler Pfad schlängelt sich an den Häusern von Campo vorbei in Richtung der Hügel, und schon nach wenigen Minuten hoppelt ein wilder Hase vor mir her. Kakteen mischen sich mit Büschen und erinnern mich, dass das hier ganz etwas anderes ist als meine vertrauten Alpen.

Ich grinse die Markierung für die erste Meile an, und bei Meile 3 überquere ich das Bahngleis, das ich schon in so vielen Videos gesehen habe.

Langsam wird der Trail intensiver, es geht mehr auf und ab, und ich merke, dass der Blick auf das Höhenprofil hier getäuscht hat. Das macht aber nichts, denn es ist wunderschön hier. Ich habe wunderschöne Aussichten und durch den Regen der letzten Woche säumen Blüten in allen Farben den Weg.

Es wird heiß, und ich mache viele Pausen wann immer ich ein schattiges Plätzchen finde. Bei Meile 4.4 habe ich aus einem kleinen Bach Wasser gefiltert, so dass mein Rucksack mit guten 6 Litern beschwert ist. Die brauche ich definitiv bei der Hitze. Ich habe schnell realisiert, dass es Sinn macht, heute „nur“ 14 Meilen bis zum ausgetrockneten Hauser Creek zu gehen und den langen Aufstieg zum Lake Morena nicht in der Abendsonne, sondern in der morgendlichen Kühle anzugehen.

Kurz nach 17:00 Uhr erreiche ich dann auch Hauser Creek. Die letzten Meilen bin ich zusammen mit Stine aus Dänemark gewandert, die ich schon im Hostel kennengelernt hatte und mit der ich zusammen Vorräte einkaufen war.

Wir stellen unsere Zelte auf, quatschen noch ein wenig mit anderen Hikern, die in der Nähe kampieren, kochen Abendessen und sind alle hundemüde. Um 20::00 Uhr hört man nur noch leises Rascheln als sich alle bettfertig machen, und eine halbe Stunde später ist nur noch das Rascheln des Windes in den Blättern zu hören.

California here I come…

Nach einer letzten Abschiedsrunde mit der Familie hat mich mein Schwager zum Hotel nahe dem Flughafen gebracht. In Hallbergmoos ist am Wochenende tote Hose, aber der Penny-Markt hatte immerhin offen, so dass ich nicht verhungern musste, obwohl Hotelbar und Gasthäuser alle geschlossen waren. Immerhin passte das Wetter zum Gefühl- ein komisches Gefühl von Weihnachten mit einer etwas schweren Note. Für fast ein halbes Jahr weg zu sein und die Lieben nur per Telefon zu hören und zu sehen ist schon eine Nummer, die eine kleine Achterbahn der Emotionen auslöst. Am Schluss überwogen aber doch Aufregung und Vorfreude.

Der nächste Tag war dann lang. Um 7 mit dem Shuttlebus zum Flughafen, erst mal richtig Frühstücken, da es im Hotel kurzfristig auch kein Frühstück gab, dann Corona-Testen und aufs Ergebnis hin fiebern.

Um 8:50 dann die ersehnte Benachrichtigung: Test negativ, es kann losgehen.

Einchecken und Kontrollen dauern dank Corona-Regeln noch länger als sonst, und der Start verzögert sich um 30 Minuten. Der Flieger ist rappelvoll, und ich bin heilfroh, Premium Economy gebucht zu haben und nicht wie eine Sardine in der Dose sitzen zu müssen. Wir lassen das verschneite Deutschland hinter uns, und mit Essen, Dösen und mit meinem Sitznachbar plaudern gehen auch die 12 Stunden Flug irgendwie rum.

Los Angeles

Der letzte spannende Moment ist dann bei der Einreisekontrolle nach einer guten Stunde in der Schlange, aber der Immigration Officer ist gut drauf und erklärt mich und das Konsulat für verrückt – wer will schon 2650 Meilen zu Fuß laufen, und wer gibt dafür auch noch ein Visum aus? Er gibt mir trotzdem die vollen 6 Monate Zeit, bis ich die USA spätestens wieder verlassen muss.

Ich brauche noch eine Weile, um den Shuttlebus zu finden, aber die Fahrt ist kurz und das Einchecken geht schnell. Die Menschen sind alle typisch amerikanisch freundlich und das Zimmer ist sauber und riesig. Nach einer großen Portion Chicken Wings und einer langen Dusche falle ich dann erschöpft und glücklich ins Bett. Ich bin tatsächlich hier.

Morgen geht es dann mit dem Amtrak an der Küste entlang nach San Diego.